Ungehörten Stimmen mehr Raum geben: Das möchten die Organisatoren des Mini-Festivals „Jüdische Ossis“ im März in der Reithalle. Das Hans Otto Theater und das Institut für Neue Soziale Plastik widmen sich dabei gemeinsam einen kaum reflektierten Part der Geschichte. „Jüdische Perspektiven sind im öffentlichen Raum noch nicht so häufig präsent - erst recht nicht, wenn sie eine DDR-Geschichte in sich tragen“, sagt Nora Pester vom Verlag Hentrich und Hentrich. In der DDR, die sich zwar als antifastisch bezeichnete, waren Antizionismus wie Antisemitismus jedoch gang und gäbe. Was beim Festival zu hören sein wird, ist daher zum Teil hoch widersprüchlich, gibt Kuratorin Stella Leder vom Institut für Neue Soziale Plastik zu. „Das ist unbedingt so gewollt: Wir wollen ins Gespräch kommen“.
In Lesungen, Gesprächen und mit Gästen wie Barbara Honigmann, Gregor Gysi und André Herzberg geht es um die Rückkehr von jüdischen Kommunisten aus dem Exil und ihre enttäuschten Hoffnungen. Es geht um stalinistischen Antisemitismus in der DDR, der vor 70 Jahren zur massenhaften Flucht von Juden aus dem Land führte, und um die Frage: Was bedeutet dies alles für die Gegenwart? Und wie nehmen Jüdinnen und Juden Ostdeutschland heute wahr?
Besonderen Raum wird dabei am ersten Abend eine szenische Lesung über den früheren Intendanten des heutigen Hans-Otto-Theaters Alfred Dreifuß einnehmen. Alfred Dreifuß war Jude, wird 1950 verhaftet, wird entlassen, aus der SED ausgeschlossen und zu Zuchthaus verurteilt – Teil einer antisemitischen “Säuberungsaktion”.
Es war für sie erschütternd, die Geschichte zu lesen, berichtet die heutige Theater-Intendantin Bettina Jahnke. Sie war aber zugleich auch ein Anstoß, „Jüdische Ossis“ unbedingt ins Theater zu holen. „Wir wollen Geschichten aus der DDR aus vielgestaltiger Perspektive zeigen. Es war der richtige Anlass, um uns in diese Richtung weiterzuentwickeln“, sagt Bettina Jahnke, die zudem überzeugt ist: „Wir müssen politisches Theater machen“.
Judenfeindlichkeit – noch immer aktuell, wie zuletzt die Antisemitismus-Vorwürfe rund um die Documenta 2022 in Kassel gezeigt haben. „Man muss diese Debatten führen – auch an anderen Orten als in der Schule“, sagt Kuratorin Stella Leder und sieht das Hans-Otto-Theater als „gutes Beispiel, was so ein Ort sein kann“.
„Ich finde das wichtig, das wir das wieder und wieder behandeln“, stimmt Intendantin Bettina Jahnke zu, die allerdings auch zugibt, dass das Festival „Jüdische Ossis“ durchaus brisant sein kann. „Wir müssen die Veranstaltungen drei Wochen vorab bei der Polizei melden." Die nehme dann eine Einschätzung der Gefahrenlage vor, um entsprechend Beamte zur Sicherung abzustellen. „Das habe ich bei keiner anderen Veranstaltung", so Bettina Jahnke.
Das Minifestival „Jüdische Ossis“ ist eine Kooperation zwischen dem Hans Otto Theater und dem Institut für Neue Soziale Plastik e.V.. Es findet am 11. und 12. März in der Reithalle des Hans-Otto-Theaters statt.